TempleOS: Das bizarrste Betriebssystem der Welt

TempleOS ist keine Neuerscheinung und in Fachkreisen auch namentlich nicht unbekannt. Der Schöpfer dieses Systems heißt Terry A. Davis, er verstarb Anfang August 2018 im Alter von 48 Jahren. Ich stieß zufällig in der Reddit-Community auf einen Beitrag darüber und habe mich aus Neugierde ein Bisschen näher mit der Geschichte befasst.

Der US-Amerikaner Terry Davis war in Programmiererszenen bekannt, allerdings auch bekannt für Trolling, rassistische und homophobe Beiträge. Er war Uni-Absolvent, ein professioneller Programmierer und an Schizophrenie erkrankt.

Irgendwann wurde seine Schizophrenie nicht mehr behandelt, daraufhin sagte er, Gott habe ihm befohlen ein Betriebssystem zu programmieren. Vor dieser „Eingebung“ bezeichnete er sich als strikten Atheisten. Und ich dachte mir, das hört sich so absolut schräg an, ich muss mir dieses System doch einmal genauer ansehen.

Bizarr

Wie gut zu erkennen ist, macht dieses Betriebssystem einen recht altertümlichen Eindruck. In seinem ASCII-Design und erinnert es stark an die späten 1980er- oder frühen 1990er-Jahre. Die blinkenden Texte, Laufschriften, Andeutungen von Fenstern die mit Text überladen sind und sich auch verschieben lassen, machen das Erscheinungsbild nicht gerade angenehm. Alles wirkt eng und gedrückt – aber immerhin, es hat einen Mauszeiger und sogar das Scrollrad funktioniert! Ich bin viele Stunden davor gesessen, habe versucht das System und seine Elemente zu erkunden, mir auch die biblischen Texte von Davis durchgelesen und versucht die Syntax zu verstehen – sie ist allerdings kaum verständlich.

Man kann sich jetzt natürlich darüber lustig machen und dieses eigentlich total unbrauchbare Betriebssystem komplett zerpflücken, ich kann aber vorweg nehmen, dass Terry Davis definitiv ein Genie war. Was TempleOS so unglaublich faszinierend macht, es ist in Anbetracht seines Wirkens tatsächlich ein 64-Bit-System, gedacht für aktuelle Computer und diese Version hier ist die aktuelle von November 2017 in der Version 5.03. Genial und einzigartig an diesem Betriebssystem, es können Grafiken direkt in den Quellcode eingefügt werden – das gibt es so nirgendwo sonst.

Göttliche Unterhaltung

Das Spiel „Bomber Golf“

Es bietet neben implementierten, animierten Grafiken viele christliche Texte und auch Bibelauszüge, christliche Lieder und tatsächlich Spiele. Die meisten davon sind Shooter – also Spiele mit Kampfflugzeugen, Panzern und Soldaten mit denen man etwas erschießen muss. Flakgeschütze, Seeschlachten und mehr, das sich nur schwerlich mit Christlichkeit vereinbaren lässt. Rein von den Features war es das aber auch schon. Man kann hier keinen Brief verfassen und ausdrucken, keine Fotos bearbeiten oder speichern, keine Musik hören oder im Internet surfen. Ein richtiges Dateisystem, Benutzer oder die Möglichkeit eine Netzwerkverbindung aufzubauen gibt es nicht.

Es gibt auch keinerlei Hardwareunterstützung für optische Laufwerke, Soundkarten oder USB. Es hat aber Menüs, Tastenkombinationen für alle Funktionen. Alles ist eine Kommandozeile die sofort von einem C-Dialekt-Compiler ausgewertet wird, den Davis „HolyC“, also das „Heilige C“ nennt. Wer C programmieren kann, dürfte sich in TempleOS gut zurechtfinden.

Terry Davis schrieb das System über 15 Jahre lang allein ohne fremde Hilfe, hat keine Inhalte kopiert oder sich an anderen Systemen orientiert.

Gebete inklusive

Zufällig generierte Gebetstexte und Bibelstellen in der Kommandozeile

Nun wird es richtig schräg: Drückt man in einer Kommandozeile die F7-Taste, werden zufällig generierte Worte aus Gebeten ausgegeben. Drückt man wiederum Shift-F7 erscheinen komplette Bibel-Ausschnitte. Was sich eventuell noch für Geheimnisse darin verbergen kann ich nicht sagen. Die Dokumentation zum System erscheint mir mindestens so groß zu sein wie die Bibel selbst.

Gott soll ihm zu seinem Betriebssystem außerdem aufgetragen haben, es nur in einer  Auflösung von 640×480 Pixeln mit 16 Farben zu programmieren. Außerdem dürfe es nur alle 49 Jahre ein Hardware-Upgrade erhalten, keinen normalen Ton haben, sondern nur die klassichen „Hardware-Beeps“ ausgeben. Wie schon erwähnt, Davis war professioneller Programmierer sowie Hardwarespezialist und hätte durchaus gewusst, wie eine richtige Benutzeroberfläche und auch Tonausgabe zu implementieren sind.

Wenn man sich durch das Kopfmenü klickt, merkt man schnell, dass das nicht einfach nur ein sehr technisches/kryptisches Betriebssystem ist. Man befindet sich in der schizophrenen Welt von Terry Davis, die er digitalisierte und für sich zuschnitt. Er sagte selbst, dass er über TempleOS mit Gott sprechen kann und Gott antworte ihm auch darüber.

Dieses außergewöhnlich bizarre und gleichzeitig geniale System – auf eine gewisse Weise sehr faszinierend, wie ich finde. Wer es in einer virtuellen Umgebung ausprobieren möchte, kann das System in seiner letzten Version 5.03 von der Webseite templeos.org kostenlos herunterladen.

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tstueker

Das eigentlich geniale dabei ist, dass der Mann ein 64 Bit Betriebssystem geschrieben hat und die Brücke zwischen Preemptivität und Realtimekernel so gekonnt geschlagen hat, dass er damit hätte Millionär werden können. Denn das System auf einem aktuellen 64 Bit ARM wäre fürSteuerungszwecke nicht nur interessant, auch die Implementation ist recht genial gebaut. Leider hat diesen professionellen Programmierer seine Krankheit letztlich zunichte gemacht. Aber immerhin. Der Mann war ein Genie. Zweifellos.