Myalgische Enzephalomyelitis: Die häufigste unerforschte Krankheit

Myalgische Enzephalomyelitis: Kannst du dir vorstellen, dass es eine Krankheit gibt, die in Deutschland drei Mal häufiger vorkommt als HIV, so krank macht wie AIDS, aber die Betroffenen keinerlei medizinische Versorgung erhalten, keine biomedizinische Forschung finanziert wird, Ärzte oft nicht einmal wissen, dass es diese Krankheit gibt?

Häufig hört man von dieser Krankheit auch unter der Bezeichnung ME/CFS. Weltweit wird das CFS (Chronic Fatigue Syndrome) bagatellisiert, ignoriert und psychiatrisiert. ME ist eine schwere chronische Multisystemerkrankung mit verheerenden Auswirkungen auf das Leben Erkrankter.

Ich habe meine Klinikzeit auf zwei Krankheiten aufgeteilt und ich kann Ihnen sagen, wenn ich eine wählen müsste, hätte ich lieber HIV als CFS

Dr. Nancy Klimas, AIDS-/CFS-Forscherin und Spezialistin, University of Miami

Was ist Myalgische Enzephalomyelitis?

ME ist eine langfristige, neuro-immunologische Erkrankung (WHO ICD-10 G93.3). Weltweit sind ca. 17 Mio. Menschen, in Deutschland ca. 300.000 erkrankt. Damit ist die Myalgische Enzephalomyelitis dreimal häufiger als HIV in Deutschland und auch häufiger als MS, dennoch ist ME völlig unbekannt. ME ist nicht selten.

Die Zahl der Erkrankten hat sich zwischen 2009 und 2014 mehr als verdoppelt. Das Kardinalsymptom bei ME ist die so genannte PENE, welche das Unvermögen des Körpers beschreibt, ausreichend Energie nach Bedarf zu produzieren.

ME führt zu einer massiven körperlichen Entkräftung/Erschöpfung die durch Ruhepausen nicht beseitigt werden kann.

Selbst geringste körperliche oder geistige Anstrengung (z. B. Zähne putzen, kurzes Gespräch) führt zu sofortiger oder zeitverzögerter (Stunden bis mehrere Tage) Entkräftung und Verstärkung aller Symptome, z. B. starke chronische Schmerzen.

Etwa 25 % (ca. 75.000) der Erkrankten (auch Kinder!) sind so stark von der Krankheit betroffen, dass sie unfähig sind die Wohnung oder das Bett zu verlassen und sind damit häufig lebenslang pflegebedürftig. 60 % sind arbeitsunfähig.

Schwere Fälle sind 24h bettlägerig, vertragen keinerlei Licht, Geräusche oder Berührung und müssen ggf. künstlich ernährt werden. Sie sind meist zu keinerlei körperlicher oder geistiger Aktivität mehr in der Lage.

Es gibt keine andere Krankheit, welche die Lebensqualität von Menschen stärker einschränkt

Ich kann nicht gewaschen werden, ich kann meinen Kopf nicht heben, ich kann niemanden bei mir haben, ich kann nicht aus dem Bett gehoben werden, kann nicht aus dem Fenster schauen, kann nicht berührt werden, kann weder fernsehen noch Musik hören – die Liste ist lang. ME hat meinen Körper zu einem quälenden Gefängnis gemacht

Emily Rose Collingridge (1981-2012)
Grundsätzlich kann jeder an ME erkranken, z. B. nach einem Virusinfekt. Insbesondere jedoch:
  • Menschen, welche im Gesundheitswesen arbeiten
  • 75 % der Erkrankten sind Frauen
  • Haupterkrankungsalter 10-19 u. 30-39 Jahre
Myalgische Enzephalomyelitis

Konensleitlinie: https://www.me-aktuell.de/files/ME_IC_Leitlinie.pdf

Diagnose

Anhand der Internationalen Konsenskriterien für ME, immunologischen und weiteren spezifischen Untersuchungen lässt sich ME diagnostizieren. Noch gibt es keinen einfachen Bluttest, der beim Hausarzt durchgeführt werden kann.

Häufige Symptome (unvollständig)

  • zu Beginn starke Genick- und Kopfschmerzen
  • anhaltende schwere Grippesymptome
  • phasenweise Lähmungen
  • Krampfanfälle
  • Schwierigkeiten bei der Informationsverarbeitung: Konzentrationsstörungen
  • Kopf-, Muskel-, Gelenkschmerzen
  • Schlafstörungen durch fehlende Produktion der Schlafhormone, nicht erholsamer Schlaf
  • Licht-, Lärm-, Vibrations-, Geruchs-, Geschmacks- und Berührungsempfindlichkeit
  • Magen- und Darmbeschwerden
  • posturale Tachykardiesyndrom/orthostatische Intoleranz (übermäßiger Pulsanstieg)
  • Temperaturschwankungen (schwitzen, frieren), kalte Extremitäten
  • Überempfindlichkeiten gegen Nahrungsmittel, Medikamente, Chemikalien

„The Living Death Disease“

Mögliche Ursachen bzw. Trigger

  • chronische Infektionen
  • Virusinfektionen (Herpesviren, Parvovirus B19, SARS-CoV-2)
  • Enteroviren, z. B. Coxsackie B
  • Bakterien, z. B. Babesien, Chlamydien
  • Chemikalien (aktivieren Viren!)
  • Schimmel, Mykotoxine

99 % aller Viren sind noch unbekannt und daher auch weitere mögliche Verursacher. Herpesviren (EBV) verbleiben immer im Körper und vermehren sich bei nächster Gelegenheit. Enteroviren verlassen den Körper in der Regel nach einer wirksamen Immunantwort. Bei einem Teil der Bevölkerung können sie jedoch chronische oder lebensbedrohliche Zustände hervorrufen.

Wie konnten manche ME-Patienten bisher Besserungen erzielen?

  • mit antiviralen und antiretroviralen Medikamenten
  • mit Immunsystem modulierenden Medikamenten (z. B. Ampligen, Rituximab) oder Immunglobulinen

(Manchen Patienten geht es nach solchen Therapieversuchen aber schlechter.)

Für die Krankheit Myalgische Enzephalomyelitis gibt es noch keine zugelassenen Medikamente oder Therapien. Da in Deutschland die evidenzbasierte Medizin gilt, ist es für Mediziner bei Krankheiten wie ME vorteilhafter, den Patienten sterben zu lassen, als ein Medikament in Off-Label Use zu verschreiben (Haftung des Arztes).

[ME/CFS-Patienten] fühlen sich praktisch jeden Tag so, wie sich ein AIDS-Patient zwei Monate vor dem Tod fühlt; der einzige Unterschied ist, dass die Symptome unendlich lange andauern können

Prof. Mark Loveless

Aktuelle Situation

Es gibt aktuell keine medizinische Versorgung und auch keine einzige Klinik für ME-Patienten.

Myalgische Enzephalomyelitis wird u. a. wegen des bagatellisierenden Begriffs „CFS“ von Ärzten nicht ernst genommen. 99 % der Mediziner kennen die Krankheit nicht oder diagnostizieren diese falsch als psychisch (z. B. Depressionen, Burnout, Schulphobie).

Forschungen nach der Ursache von ME erhalten keine Finanzierung und werden daher nicht durchgeführt. Bereits durchgeführte Studien werden von den Medizinern und Gesundheitsbehörden ignoriert.

Daher ist aktuell keine Heilung möglich. Selbst Linderung der Symptome, bspw. Schmerzen, gelingt bei vielen Patienten nicht.

Wie können Sie ME-Patienten helfen?

Bspw. im Haushalt, beim Einkaufen, bei Ämtern oder Arztterminen. Spenden für Wissenschaft. Außerdem können Sie Petitionen unterstützen & verbreiten (siehe letzte Seite). Bitte reden Sie auch mit Freunden über diese Krankheit.

Sie können die mit 2 Fortbildungspunkten akkreditierte Online On-Demand Videofortbildung der Charité Berlin verbreiten: https://www.mecfs.de/was-ist-me-cfs/informationen-fuer-aerztinnen-und-aerzte/

Wichtig: Glauben Sie dem Patienten die schrecklichen Symptome!

Ziele – Was muss getan werden?

  • Ende der Bagatellisierung und Psychiatrisierung von ME mit Chronic Fatigue Syndrome/Chronischem Müdigkeitssyndrom
  • Anerkennung des WHO Codes ICD-10 G93.3
  • Anerkennung als schwere körperliche Erkrankung
  • Biomedizinische Erforschung der Ursachen und Therapie-Studien
  • Schulung von Ärzten und Klinikpersonal
  • Anerkennung bei Krankenkassen, Ärzteverbänden und Behörden, um adäquate Behandlung zu erreichen

#severeME Das Leiden von Merryn Crofts

Merryn Crofts vor ihrer ME-Diagnose. Merryn war ein sehr geselliger Teenager und liebte das Theater. Merryns Odysee begann 2011, ein Test 2012 zeigte, dass sie am Pfeiffersches Drüsenfieber (EBV) erkrankt war. Ihr Zustand verschlechterte sich zusehends, sie litt unter Atemproblemen, Erschöpfung und einer extremen Überempfindlichkeit gegenüber Berührungen, Licht und Geräuschen.

Im Sommer 2012 wurde bei ihr ME diagnostiziert.

Die Schauspielstudentin, die gezwungen war, eine Augenmaske zu tragen, litt auch unter schweren Migräneanfällen, Hirnnebel, undeutlicher Sprache und anhaltenden Infektionen. Schwere Magenprobleme, -schmerzen und Schluckbeschwerden führten dazu, dass ihr Gewicht auf nur noch 35 kg sank.

Merryn, unvorstellbar schwer krank, die letzten 3 Jahre ihres Lebens 24/7 bettlägerig im dunklen Zimmer, ohne Aktivität, künstliche Ernährung. Bei der Palliativpflege geht es normalerweise um Reden und Händchenhalten, aber das ist bei schwerem ME nicht mehr möglich! Merryn war nie wirklich schmerzfrei, außerdem hatte sie eine unglaubliche Übelkeit, die sich nicht lindern ließ.

Am 23. Mai 2017 verstarb Merryn nach einem unvorstellbaren Leidensweg.

Offiziell war sie erst der 2. Todesfall in England aufgrund von ME. Die Obduktion wies eine Entzündung der Ganglien (Nervenknoten) nach. Merryn’s Gehirn und Rückenmark wurden, auf ihren Wunsch hin, dem Ramsay Research Fund (RRF) der ME Association gespendet, der die Ursachen der Krankheit erforscht.

Weiterführende Informationen

Petitionen

Akkreditierte On-Demand Videofortbildung der Charité Berlin/TU München:

Foren

Dokumentarfilme

Die Wissenschaftler Dr. Amy Proal und Dr. Michael Van Elzakker möchten unabhängig forschen und benötigen dafür Spenden:
https://polybio.org/donate/

Hashtags

  • #MyalgicE
  • #MECFS
  • #MEAwarenessHour

Quellen

Kontakt-Mail bzw. Flyer bestellen: meflyer[*ä*t*]protonmail.com


Stand: Juli 2021 Alle Angaben ohne Gewähr! Dieser Beitrag dient reinen Informationszwecken! Bilder und Text wurden freundlicherweise bereitgestellt von me-aktuell.de, Copyright © 2021

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