Das Fax und Deutschland, eine Liebesgeschichte? Es gilt als Symbolbild für die deutsche Rückständigkeit in der Digitalisierung – keine Behörde, keine öffentliche Stelle und kaum ein Unternehmen ohne Faxgerät. Die meisten von uns belächeln es und machen ihre Späße. Wenn man Diskussionen verfolgt, mag man fast annehmen, dass das Fax außerhalb Deutschlands schon lange keine Rolle mehr spielt. Doch der Schein trügt. Heute im 21. Jahrhundert hat „die Technik von vorgestern“ auch morgen noch einen festen Platz.
Das Zeitalter des Telefax
Die Geschichte des Faxgeräts reicht zurück bis in das 19. Jahrhundert. Die Idee, Handschrift und Zeichnungen elektrisch zu übertragen, kam erstmals 1843 auf. Der Kopiertelegraf war die Erfindung des schottischen Uhrmachers Alexander Bain. Im Laufe der Zeit wurde die Technik so verbessert, dass bis zum ersten Weltkrieg brauchbare Fernkopien übermittelt werden konnten.
Beschränkt auf Redaktionen, Polizeidienststellen oder Kriegsberichterstattung, gab es erste „zivile“ Faxgeräte ab den 1970er-Jahren in Deutschland zu kaufen. Damals bezeichnete man sie noch als „Fernkopierer“. Zum quasi Standard in Büros wurde das Fax in den 1980er- und 1990er-Jahren.
Irgendwann zogen die Computer in die Unternehmen ein. Digitaler Nachrichtenaustausch über Netzwerke wie LAN, WAN oder selbst über das frühe Internet, waren damals schon ohne weiteres möglich – aber sehr teuer.
Totgesagte leben länger
Erstmals gestorben ist das Fax schon in den 1990er-Jahren. Todesursache, der Personal-Digital-Assistant, kurz PDA. Eine kurze Zeit lang hatten viele Geschäftsleute einen solchen „Pocket-Computer“, doch dieser Hype brach schnell wieder ab. Letztendlich starb der PDA. Seither stirbt das Fax jedes Jahr erneut. Die E-Mail übrigens auch, genau wie die WhatsApp und der Computer.
Es gibt keine deutsche Liebe zum Faxgerät
Mahnend wird immer wieder auf die deutsche Rückständigkeit in der Digitalisierung gepocht, das beliebte Totschlagargument „German-Angst“ darf natürlich nicht fehlen. Viele Tiraden möchten gerne überzeugen, „keine Faxen mehr zu machen“ – einfach nur, weil die Technik gestern schon da war. Das Telefon allerdings auch, genau wie der Fernseher und immerhin ist sogar das Internet schon ein halbes Jahrhundert alt. Nein, nirgendwo auf der Welt kommt der Arztbefund per WhatsApp und es werden auch an der Wallstreet keine Milliarden-Deals per „Gefällt mir„-Button abgenickt.
Man mag es angesichts der vielen Diskussionen um eine potenzielle Rückständigkeit Deutschlands in der Digitalisierung kaum glauben, aber das Fax spielt weltweit noch eine bedeutende Rolle. Die gleiche Debatte findet seit vielen Jahren zum Beispiel auch in Großbritannien statt. Dortige Behörden wie auch Unternehmen bevorzugen nach wie vor das Faxgerät. So auch in den USA.
Sucht man nun wahllos in verschiedensten Ländern dieser Erde die Kontaktdaten von frei gewählten Behörden, Arztpraxen oder Unternehmen, so wird man in 99 Prozent der Fälle auch eine Faxnummer vorfinden. Deutschland, Großbritannien, Südafrika, Russland, USA, Australien, China – ganz egal wo. Auch bei den vielgepriesenen digitalen Vorreitern wie Estland und Finnland oder hoch-technologisierten Länder wie Japan wird „immer noch“ gefaxt.
Leider konnte ich im Laufe der Recherchen zu diesem Beitrag keine neuere, detaillierte Statistik finden, wie viele Faxe täglich in Deutschland und auf der Welt von wem und an wen verschickt werden, Statista veröffentlichte jedoch 2018 eine Infografik. Sie zeigt, dass rund 37 Prozent deutscher Unternehmen „sehr häufig“ das Faxgerät benutzen, weitere 25 Prozent „häufig“. Das ist immerhin mehr, als das Smartphone (23 % sehr häufig, 28 % häufig).
Fax – nicht so sicher wie sein Ruf, aber schnell und effizient
Fragt man in Ämtern oder Unternehmen, aus welchen Gründen Faxgeräte eingesetzt werden, kommen meist identische Begründungen. Es ist schnell, zeitsparend, dokumentenecht und abhörsicher. Letzteres ist ein weitverbreiteter Irrtum.
Viele Anwender schieben das Fernmeldegeheimnis vor, also muss ein Fax doch sicher sein? Keineswegs und das war es auch nie. Schon 1996 war bekannt, dass das Innenministerium die Faxkommunikation (inkl. Telex-Verkehr) überwacht und ausfiltert.
Der einfachste, digitale Weg zum Dokumentenaustausch ist unbestritten die E-Mail. Doch muss das Dokument erst in ein passendes Format gebracht, ggfs. sogar erst ausgedruckt und unterschrieben, dann wieder gescannt werden. Das allein ist es nicht, denn die E-Mail muss zusätzlich verschlüsselt sein. Mit etwas Pech landet sie beim Empfänger im Spam-Filter und wird niemals gelesen. Mit noch mehr Pech bekommt man eine Mail mit Virus, Trojaner oder Tracker von irgendwem. Außerdem wird es nicht in einem „Gesendet“-Ordner unwissentlich archiviert – Datenschutz ahoi!
Das Fax trotzt all dem, spuckt dazu noch einen Sendungsnachweis aus und kann dank moderner Technik isoliert an das Internet angebunden werden. Die meisten Multifunktionsdrucker, privat wie gewerblich und sogar Internetrouter haben integrierte Faxfunktionen. Leider macht es auf diesem Weg nicht mehr die bekannten, lustigen Geräusche… Papier einlegen, Nummer eingeben, Knopf drücken.
Ja doch, das ist alles wahr! Bloß ist ein Fax heute nicht mehr datenschutzkonform. Ein kleines Zucken der Regierung, um die ewigen Forderungen zu besänftigen?
Funfact
Eine sehr beliebte Lieferdienst-App faxt die aufgegebene Essensbestellung an die Restaurants. Zudem finden immer mehr vollautomatisierte Faxaufträge in digitalisierten Industrieprozessen ihren Platz. Es ist also nicht einfach „noch da“, sondern aktiver Bestandteil neuer Technologien.
Das Fax wird bleiben
Auch wenn die meisten Lesenden nun Schnappatmung bekommen werden: Faxgerät is here to stay!
Dadurch, dass es in oben erwähnten Prozessketten-Optimierungen technologische Lücken der Digitalisierung schließt und weiter aktiv integriert wird, besteht daran kein Zweifel. Laut einer IDC-Studie für die Financial Times nutzen 20 Prozent der US-Unternehmen das Faxgerät sogar noch häufiger als früher. Kaum ein befragter Unternehmer plant das Fax abzuschaffen und deutlich wird, es ist bei weitem kein deutsches Phänomen.
Die Faxnutzung hat sich über die Jahre zweifellos verändert. Während analoge Leitungen und ISDN verschwinden, zeigt sich aber nach wie vor keine Spur für ein baldiges Verschwinden des Faxgeräts.