Artikel 13: Die umstrittene Urheberrechtsreform kurz erklärt
Wie bereits berichtet, hat sich das EU-Parlament Mitte September 2018 mit 438 Für- und 226 Gegenstimmen trotz aller Proteste für eine EU-weite Urheberrechtsreform entschieden. Der Anstoß dafür kam von den deutschen Parteien CDU/CSU und aus dem Hause Springer. Bestandteil dieser Urheberrechtsreform ist unter anderem der umstrittene Artikel 13. Worum es im einzelnen geht, erklärt dieser Artikel.
Die Reform sei im digitalen Zeitalter dringend notwendig um Urheberrechtsverletzungen zu verhindern. Es diene Verlagen, Medien und Journalismus – im Endeffekt allen. So viel zur offiziellen Rechtfertigung.
Uploadfilter
Bislang waren Nutzer haftbar, die geschütztes Material in das Internet geladen haben. Das betraf bisher jedoch nicht die Plattformen, auf denen die Werke veröffentlicht wurden. Die Reform ändert diesen Sachverhalt und nimmt die Plattformen in die Pflicht, Inhalte zu filtern und löschen, da sonst teure Strafen drohen. Betreiber müssen nun erhebliche Mengen an Fotos, Videos, Texten, Zitate und Musik auf Urheberrechtsverletzungen prüfen. Da das kaum realisierbar ist, kommt der Uploadfilter ins Spiel.
Mit dem sogenannten Uploadfilter soll alles in das Internet geladene Material mit einer Datenbank abgeglichen werden. Liegen in dieser Datenbank Informationen über das (urheberrechtlich geschützte) Werk vor, wird der Upload blockiert. Dieser Vorgang läuft natürlich automatisiert ab, was im Klartext bedeutet, dass ein Programm entscheidet, was hochgeladen werden darf und was nicht.
Ein Programm-Algorithmus muss zukünftig also feststellen, was ein urheberrechtlich geschütztes Werk, und was vielleicht freie Medien sind. Übrigens können das auch Urheberrechtsexperten und Anwälte nicht eindeutig. Damit ist auch das Recht auf Meinungsfreiheit ohne Zensur unter Beschuss, zugleich würden auch Material zur Bildung und freie, kreative Inhalte zensiert.
Die Auswirkungen sind absehbar. Damit müssen gewinnorientierte Unternehmen nun erhebliche Summen in eine neue Technik investieren. Für die großen wie Facebook und Google vielleicht weniger problematisch, als für kleine Plattformen mit finanzschwächeren Betreibern. Aber nicht nur das, alle Betreiber lauten stets Gefahr, mit teuren Strafen belastet zu werden. Eine logische Konsequenz solcher Plattformen wäre, pauschal sämtliche Uploads zu verhindern oder sich im ärgsten Fall sogar aus Europa zurückzuziehen und dann auch ihre Dienste für europäische Nutzer gänzlich einzustellen. YouTube-Chefin Susan Wojcicki ließ bereits verlauten, dass viele Kanäle gelöscht werden müssen. Auch Google hat bereits reagiert und mit der Schließung von Google News in Europa gedroht.
Nicht genug, dass mit dem Uploadfilter das Recht auf Meinungsfreiheit eingeschränkt und Zensur etabliert werden soll, mit der sog. Terrorverordnung sollen die in das Internet geladenen Daten gleichzeitig auch noch mit europaweiten Strafverfolgungsbehörden abgeglichen werden.
Die Erfinder und Architekten des World Wide Web, darunter auch Tim Berners Lee, bezogen ebenfalls bereits Stellung zu Artikel 13: Eine Gefahr für das freie Internet durch eine automatisierte Infrastruktur für Überwachung und Zensur.
Auch Artikel 11 und 12 sind ein Problem
Mit dem Leistungsschutzrecht (LSR) zu Artikel 11 wird eine Verlinkung lizenzpflichtig (Linksteuer). Das bedeutet im Klartext, durch den neuen „Schutz“ soll Geld fließen. Wer zukünftig in seinem Blog ein Zeitungszitat einfügen möchte oder ein Video einbinden will, benötigt nicht nur die Zustimmung des Urhebers, sondern muss dafür bezahlen. Ob der Urheber das möchte oder auch nicht, spielt keine Rolle mehr, denn es soll eine Verpflichtung zur Lizenzierung geben.
Lesen soll kosten müssen
Öffentliche Daten, die als Basis für Recherchen, Wissenschaft, Bildung und Journalismus dienen, sollen Geld kosten. Wohlgemerkt, das Lesen der Daten! Die Kontrolle von Inhalten geht aber noch weiter: Zitate aus Liedern, von bekannten Persönlichkeiten oder aus Zeitungsartikeln, Produktdarstellungen, Filmposter, der Trailer von YouTube oder die beliebten Memes von 9GAG und Imgur, definitiv für Europäer bald Vergangenheit! Das Teilen von Nachrichten über Facebook, Twitter und andere Netzwerke wird für normale Nutzer unmöglich.
In Artikel 12 wird die sog. Verlegerabgabe wieder eingeführt. Das bedeutet, Verlage erhalten für nichts Geld, welches eigentlich den Urhebern zusteht. Zugleich dürfen sie die Rechte an einem Werk veräußern (Buy-out). „Geschützt“ werden also vor allem Verlage, nicht die Urheber.
Print ist tot
Die Printauflagen sinken jährlich. Es lässt sich nicht länger bestreiten, Print ist (so gut wie) tot. Das wissen auch die Verlage. Paywalls und andere kostenpflichtige Onlineangebote sollen Einnahmen generieren, die hervorragende Lobbyarbeit der großen Verlage mit der neuen Urheberrechtsreform Alleinrechte sichern und neue Geldquellen sprudeln lassen.
Ein vergleichbares Leistungsschutzrecht gibt es übrigens bereits in Spanien. Dort führte es nicht zu Mehreinnahmen für Verlage, sondern unter anderem zur Schließung von Google News – España. Nicht nur die Mehreinnahmen blieben aus, die spanischen Verlage hatten einen erheblichen Nutzer-Rückgang zu verzeichnen.
Wie sagt man doch so schön (Achtung, bald illegales Zitat aus unbekannter Quelle): „Was Google nicht findet, gibt es nicht!“. Und ja, so ist es auch: Was Google, als weltweit führende Suchmaschine, nicht findet, das existiert auch nicht. Ergo, die großen bekannten Verlage werden verkraftbare Rückgänge verzeichnen, kleine Anbieter werden aber nicht mehr gefunden und damit in ihrer Existenz bedroht. Sollte Google also auch im Rest Europas so reagieren, sind die Folgen klar absehbar.
Nachdem aus Reihen der CDU/CSU die Kritik am Lobbyismus sowie der neuen Verordnung ungehört blieb, beschlossen sie sogar den Protesten zu entgehen, in dem die Abstimmung um eine Woche vorgezogen wurde. Die Union dürfte sich gerade in Deutschland überhaupt keine Freunde gemacht haben, unter dem Hashtag #NieMehrCDU zeigt sich jede Menge Unmut.
Weitere, laufend aktuelle Informationen zum Thema liefert auch #SaveYourInternet sowie Savetheinternet.info beziehungsweise savetheinternet.eu.
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